Die vergessene Krise? Eurogruppe debattiert griechisches Sparprogramm

04.12.2016 11:00

Akute Geldnot besteht derzeit nicht, doch bei der Umsetzung des
griechischen Reformprogramms gibt es noch Differenzen. Die Regierung
Tsipras wünscht sich langfristige Schuldenerleichterungen. In Brüssel
dürfte es am Montag aber erst einmal um Arbeitsmarktreformen gehen.

Brüssel/Washington/Athen (dpa) - Im Streit um das griechische Spar-
und Reformprogramm könnten Athen und die internationalen Geldgeber
eine weitere Hürde nehmen. Beim Treffen der Euro-Finanzminister am
Montag in Brüssel ist ein erfolgreicher Abschluss der aktuellen
Überprüfung möglich, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen des

Finanzministeriums in Athen erfuhr.

Als Voraussetzung für weitere Kredite fordern die internationalen
Gläubiger weitreichende Liberalisierungen des griechischen
Arbeitsmarktes. Unter anderem sollen Unternehmen ihre Mitarbeiter
leichter entlassen können und bestimmte Rechte von Gewerkschaften
eingeschränkt werden. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble
(CDU) forderte Athen erneut zur Umsetzung der Reformen auf. «Wenn
Griechenland im Euro bleiben will, führt kein Weg daran vorbei - und
zwar unabhängig vom Schuldenstand», sagte Schäuble der «Bild am
Sonntag». Für die Regierung des linken Premierministers Alexis
Tsipras sind die Forderungen allerdings innenpolitisch heikel.

Das hoch verschuldete Griechenland ist seit 2010 auf internationale
Kredite angewiesen. 2015 hatte die Regierung in Athen in finanzieller
Notlage im Gegenzug für das bislang letzte dritte Hilfspaket von bis
zu 86 Milliarden Euro umfangreiche Reformen bis 2018 zugesagt.

Unklar war zuletzt außerdem die Beteiligung des Internationalen
Währungsfonds (IWF). Der Fonds ist derzeit nur als Berater am
laufenden Hilfsprogramm beteiligt. Deutschland hat sich in der
Vergangenheit zwar stets für die finanzielle Beteiligung des Fonds
eingesetzt, vom IWF geforderte weitreichende Schuldenerleichterungen
lehnte die Bundesregierung aber ab. Die IWF-Linie vertritt etwa auch
der amtierende US-Präsident Barack Obama, der zuletzt in Athen und
Berlin für Schuldenerleichterungen warb. Bis Ende des Jahres wollte
sich der Währungsfonds ursprünglich positionieren.

Aus IWF-Sicht müssen die Schulden Griechenlands so tragfähig sein,
dass sie auf Dauer das Haushaltsdefizit reduzieren und Griechenland
wieder auf die Beine kommt.

Dazu lässt die Regierung in Athen ein Szenario durchsickern, das die
Krise wieder zum Aufflammen bringen würde: Der IWF fordere dem
Vernehmen nach 4,2 Milliarden Euro neue Sparmaßnahmen nach 2018. Nur
so werde man einen primären Überschuss unter Ausschluss der
Zinsausgaben von 3,5 Prozent erreichen, wie dies die europäischen
Gläubiger wünschen. Der IWF will der Athener Darstellung nach, dass
diese Sparmaßnahmen bald vom Parlament in Athen gebilligt werden. Es
gehe um weitere Rentenkürzungen und die Senkung des steuerfreien
Betrages von gut 8600 Euro auf 5000 Euro.

Das sei nicht Teil der bislang getroffenen Vereinbarung. Solche
Forderungen könnten «politische  Entwicklungen» in Griechenland
auslösen», hieß es am Samstag nach griechischen Presseberichten aus
höchsten Kreisen der Regierung. Damit könnten vorgezogene Neuwahlen
gemeint sein.

Nach Ansicht des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras
würde ein schneller Abschluss der aktuellen Kontrollen des
griechischen Spar- und Reformprogramms den Weg für die ersten
Maßnahmen zur Regelung des griechischen Schuldenberges ebnen. Beim
Eurogruppen-Treffen am Montag dürfte dies jedoch noch nicht konkret
thematisiert werden. Die Europäer wollten zuletzt erst nach Abschluss
des laufenden Hilfsprogramms 2018 darüber im Detail reden. Die
öffentlichen Schulden betragen nach Angaben der europäischen
Statistikbehörde Eurostat 179,2 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das
ist mit Abstand der höchste Wert in Europa.

Das Land mit der zweithöchsten Schuldenquote in Europa - Italien -
steht offiziell nicht auf der Tagesordnung des Treffens. Sollte
Premierminister Matteo Renzi jedoch mit seinem Referendum für eine
Verfassungsreform am Sonntag scheitern, dürfte das Land aber auch
hier in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken.