Mit Witzchen und Pathos - Schulterschluss der Rechtspopulisten Von Anne-Béatrice Clasmann, dpa

22.01.2017 12:18

«Merkel muss weg» rufen sie bei Pegida. Beim Treffen der
Rechtspopulisten in Koblenz ertönt der gleiche Slogan. Rückenwind
gibt den Teilnehmern der grenzüberschreitenden Wahlkampfveranstaltung
der Sieg von Donald Trump.

Koblenz (dpa) - Es beginnt pompös. Blaue Lichtblitze zucken über die
Bühne der Koblenzer Rhein-Mosel-Halle, während Spitzenpolitiker der
europäischen Rechtspopulisten zu Klassik-Pop-Klängen an den
Stuhlreihen vorbeischreiten. Ganz vorne: die französische
Präsidentschaftskandidatin und Vorsitzende des rechtsextremen Front
National, Marine Le Pen, und die AfD-Vorsitzende Frauke Petry.

Der Kongress der EU-Parlamentsfraktion «Europa der Nationen und der
Freiheit» (ENF) ist ein Treffen voller Symbolik. Wer ist drinnen, wer
ist draußen? Einige Journalisten waren explizit ausgeladen worden. In
der Halle klopfen sich die etwa 1000 Rechtsausleger gegenseitig auf
die Schultern. Draußen rufen 5000 Demonstranten und Politiker der
etablierten Parteien - unter ihnen SPD-Chef Sigmar Gabriel und die
Grünen-Vorsitzende Simone Peter - ihre Wut über das Treffen am
Deutschen Eck in die kalte Winterluft.

Dem FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky gefällt, wie das Drinnen und

Draußen verteilt ist, dass die Demonstranten zwischen den
Absperrgittern der Polizei stehen. Der Österreicher genießt den
Moment auf der Bühne. Er reißt Witzchen, sagt, es sei «ein schönes

Bild» diese Menschen «hinter Gittern» zu sehen. Und: «Ich bin aus
Tierschutzgründen gegen die Käfighaltung.» Gelächter. So funktionie
rt
wohl das, was Politologen «Populismus» nennen. Der Begriff ist
für einige der Teilnehmer dieses Kongresses kein Schimpfwort, sondern
ein Gütesiegel.

Der Wahlsieg des US-Präsidenten Donald Trump, der auf kritische
Berichterstattung auch empfindlich reagiert, hat den europäischen
Rechtspopulisten Mut gemacht. Er beflügelt sie geradezu. «Gestern e
in
neues Amerika, heute ein neues Koblenz und morgen ein neues Europa»,
jubelt der Niederländer Geert Wilders: «Europa braucht Frauke statt
Angela.» In den Niederlanden wird im März gewählt, danach folgen die

französischen Präsidentschaftswahlen und im September die
Bundestagswahl.  

Die Organisatoren haben die Nationalflaggen der EU-Mitgliedstaaten in
dem bläulich beleuchteten Saal aufgehängt. Die britische Flagge ist
auch dabei. Und auch das schweizerische weiße Kreuz auf rotem Grund.
Fast könnte man meinen, dies hier sei eine ganz normale europäische
Veranstaltung. Wenn nur nicht die eine Flagge fehlen würde, die blaue
mit den gelben Sternen.

Le Pen wird vom Moderator der Veranstaltung, einem AfD-Mann, als
«Frau mit dem schönsten Lächeln Frankreichs» angekündigt. Le Pe
n und
Petry: FPÖ-Generalsekretär Vilimsky nennt sie «unsere beiden
Powerfrauen». Jeden, der sich mit beiden anlegen will, warnt er in
bester Macho-Rhetorik, dass «mit uns nicht gut Kirschen essen ist».

Petry, die dieses Jahr ihr fünftes Kind erwartet, ist die letzte
Rednerin, die vor der Mittagspause die Bühne betritt. Sie zitiert
Friedrich Nietzsche, verzichtet auf Stammtisch-Parolen und gibt sich
betont seriös. Die Botschaft, die sie mitgebracht hat, ist dennoch
brisant. Petry, die in der DDR geboren ist, zeichnet das Bild eines
Staates, der hinter seiner liberalen Fassade versucht, die Bürger mit
hinterhältigen Strategien aus der Verhaltensforschung umzuerziehen. 


Petrys Ehemann, der nordrhein-westfälische AfD-Vorsitzende Marcus
Pretzell, ist der erste Redner bei dieser Veranstaltung. Er
bezeichnet Israel als Vorbild für Europa, «in der Form, wie man mit
dem Islam umgeht». Warum er das tut? Vor Beginn des
ENF-Kongresses hatten Holocaust-Überlebende mit Blick auf die von ihm
organisierte Veranstaltung vor einer Rückkehr des Faschismus gewarnt.

Es ist ein Kongress, bei dem jeder Redner seinen Text abspult.
Podiumsdiskussionen gibt es nicht. Als die Veranstaltung am
Nachmittag endet, geht jeder rasch seiner Wege. Draußen, vor den
Absperrgittern steht ein kleines Grüppchen Unentwegter in der Kälte.
Ein junger Mann mit Ohrenklappen-Mütze und Hipster-Bart schreit in
ein Megaphon: «Nazis verpisst euch, keiner vermisst euch.»