Europas Rechte nutzt Trump-Erfolg für Show der Stärke in Koblenz

22.01.2017 12:42

Es ist eine Inszenierung der Stärke: In Koblenz setzen die
bekanntesten Rechtspopulisten den Auftakt für das europäische
Wahljahr. Aber auch ihre Gegner sind stark. Zum Protest kommen viel
mehr als erwartet.

Koblenz (dpa) - Nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump
sehen sich Europas Rechtspopulisten im Aufschwung. Bei einem großen
Auftakttreffen fürs europäische Wahljahr am Samstag in Koblenz
formulierten sie demonstrativ einen eigenen Machtanspruch. Allerdings
sahen sie sich auch Protesten ausgesetzt, die stärker als erwartet
ausfielen: Rund 5000 Demonstranten gingen gegen die AfD, die
französische Partei Front National, die österreichische FPÖ und die
niederländische Wilders-Partei auf die Straße. In Europa stehen im
Frühjahr Wahlen in den Niederlanden und Frankreich und im Herbst in
Deutschland an.

Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry sagte vor rund 1000 Teilnehmern, in
den USA habe Trump «einen Weg aus einer Sackgasse» gewiesen - und
«genauso wollen wir das für Europa tun». Die Chefin der
rechtsextremen Partei Front National, Marine Le Pen, erklärte, einige
der Punkte Trumps in seiner ersten Rede als Präsident zeigten
Gemeinsamkeiten «mit dem, was wir sagen». Der niederländische
Rechtspopulist Geert Wilders sprach von einem «patriotischen
Frühling» in Europa.

Der Auftritt Petrys und Le Pens war der erste gemeinsame in
Deutschland. Petry warf der Bundesregierung und den EU-Behörden vor,
die Bürger einer «Gehirnwäsche» zu unterziehen. Die Freiheit des

Individuums und die kulturellen Errungenschaften der europäischen
Staaten seien bedroht. Technokraten und «Sozial-Ingenieure» würden es

für ewiggestrig und unmodern erklären, als «weißer Europäer» an

seinen Sitten und Traditionen festzuhalten.

Petrys Ehemann, der nordrhein-westfälische AfD-Chef Marcus Pretzell,
hatte das Treffen gemeinsam mit der EU-Parlamentsfraktion «Europa der
Nationen und der Freiheit» (ENF) organisiert.

Kritik kam vom Co-Vorsitzenden der AfD, Petrys internem Gegenspieler
Jörg Meuthen. Der Vorstand habe am Freitag beschlossen, keine
Gemeinsamkeiten mit Parteien wie dem Front National zu suchen, sagte
er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). «Wir sind gut beraten,
eine gewisse Distanz zum FN zu wahren, unter anderem wegen Marine Le
Pens protektionistischer Wirtschaftspolitik.»

Gegen den Kongress protestierten unter anderem Spitzenpolitiker der
Bundestagsparteien, darunter neben SPD-Chef Sigmar Gabriel die
Grünen-Vorsitzende Simone Peter. Die rheinland-pfälzische
Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) forderte die Teilnehmer der
Kundgebung zu Widerspruch gegen rechte Thesen auf: «Es ist Zeit, dass
keiner mehr zuhause bleibt.» Die Menschen sollten aufstehen für ein
freiheitliches und friedfertiges Europa. Vor der Kongress-Halle
sangen die Demonstranten die Europahymne «Ode an die Freude»,
begleitet von Mitgliedern der Rheinischen Philharmonie. Statt 5000
waren eigentlich nur 1000 Protestierer erwartet worden.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte, er wende sich gegen
ein «braunes Europa». «Wir stehen hier für ein buntes, für ein
offenes und für ein soziales Europa des 21. Jahrhunderts.»

Am Rande der Protestkundgebung versuchten linksgerichtete
Demonstranten, SPD-Chef Sigmar Gabriel den Weg zu verstellen. Die
Polizei ging nach Angaben eines Sprechers dazwischen. Die
Antifa-Gruppierung skandierte demnach «Hau ab, hau ab!».

Die Rechtspopulisten hatten die Berichterstattung von ihrem Kongress
eingeschränkt: Mehreren Medien war der Zugang vorab verwehrt worden.

Ähnlich verfuhr abermals die baden-württembergische AfD bei ihrem
Landesparteitag in Nürtingen. Es sei wie bei einem früheren Parteitag
mit großer Mehrheit entschieden worden, Journalisten bei der
Nominierung der Bundestagswahl-Kandidaten nicht zuzulassen, sagte ein
Sprecher am Samstag. Man erwarte keine faire Berichterstattung.