EU-Austritt beantragt: Großbritannien sagt Goodbye

29.03.2017 19:31

Von historischen Momenten ist oft die Rede, aber diesmal ist es
tatsächlich einer: Großbritannien hat die EU offiziell über ihren
Austritt informiert. Im März 2019 soll die Mitgliedschaft Geschichte
sein.

London/Brüssel (dpa) - Großbritannien macht ernst mit dem Brexit: Als
erstes Mitglied in der Geschichte hat das Vereinigte Königreich den
Austritt aus der Europäischen Union 2019 beantragt. Unmittelbar
danach brachten sich London und Brüssel in Stellung für die jetzt
startenden Austrittsverhandlungen. Die britische Premierministerin
Theresa May warb für eine gütliche Trennung, schlug aber auch schon
erste Pflöcke ein. Die Spitzen des Europaparlaments konterten mit
einem eigenen Forderungskatalog.

Das offizielle Trennungsgesuch nach Artikel 50 des EU-Vertrag nahm
Ratspräsident Donald Tusk in Brüssel für die EU entgegen - neun
Monate nach dem Votum der britischen Wähler für den Austritt. In
London hielt May fast zeitgleich eine Rede vor dem Parlament. «Das
ist ein historischer Moment, von dem es kein Zurück geben kann»,
sagte sie.

Obwohl der Schritt angekündigt war, bedeutet er doch eine historische
Zäsur. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte tiefstes Bedauern. «Wi
r
verlieren einen starken und wichtigen Mitgliedstaat.»
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sprach von einem
traurigen Tag. In einer gemeinsamen Erklärung der 27 bleibenden
EU-Staaten hieß es: «Wir bedauern, dass das Vereinigte Königreich die

Europäische Union verlassen wird, aber wir sind bereit für das
Verfahren, dem wir nun werden folgen müssen.» 

Mit der Übergabe der Austritterklärung beginnt eine zweijährige
Verhandlungsfrist, in der die Verflechtungen zwischen Großbritannien
und der EU gelöst werden müssen.

Beide Seiten sehen drei wichtige Knackpunkte: die Zukunft von 3,2
Millionen EU-Bürgern in Großbritannien und einer Million Briten in
EU-Ländern. Die Schlussabrechnung für finanzielle Pflichten
Großbritanniens, die die EU mit bis zu 60 Milliarden Euro ansetzt.
Und die künftige Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem
britischen Nordirland, die bisher quasi einen Binnenmarkt im Kleinen
mit freiem Grenzverkehr auf der gemeinsamen Insel haben.

Großbritannien wie auch die EU machten deutlich, dass sie hart im
Sinne eigener Interessen verhandeln wollen. «Unser Ziel ist es, die
Kosten für die EU-Bürger, Unternehmen und Mitgliedstaaten so gering
wie möglich zu halten», sagte Tusk. May beharrte ihrerseits auf einer
Forderung, die die EU-Seite ablehnt: die Trennung und die künftige
Partnerschaft vor dem Ausscheiden im März 2019 gleichzeitig zu
klären.

Die 27 bleibenden EU-Staaten wollen ihre Verhandlungslinie auf einem
Sondergipfel am 29. April festzurren. Einig über gemeinsame
Forderungen sind sich hingegen schon die Spitzen der großen
Fraktionen im EU-Parlament. In einem zehnseitigen Resolutionsentwurf
machen sie unter anderem klar, dass Großbritannien aus ihrer Sicht
keine finanziellen Zugeständnisse gemacht werden dürfen. Das ist von
Bedeutung, weil das Parlament am Ende die Vereinbarungen mit
Großbritannien billigen muss.

May beschrieb ihre Ziele in dem offiziellen Brief an Tusk und in der
Parlamentsrede. Sie strebe einen reibungslosen und geordneten
EU-Austritt an und gehe davon aus, dass er binnen zwei Jahren
abgeschlossen werden könne. Danach solle es eine Übergangsphase
geben.

Die Drohung, notfalls ohne Abkommen aus der EU auszutreten,
wiederholte May nicht. Aber auch Spekulationen über eine neue
Kompromissbereitschaft der Regierungschefin erfüllten sich nicht.

May hatte schon im Januar angekündigt, Großbritannien werde den
Europäischen Binnenmarkt und die Zollunion verlassen. Nun setzen
beide Seiten auf ein neuartiges Freihandelsabkommen. May bot der EU
zudem eine Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen nach dem Brexit an.

Die Regierungschefin steht im eigenen Land enorm unter Druck. Das
schottische Parlament stimmte am Dienstagabend für ein neues
Unabhängigkeitsvotum, weil die Schotten den Austritt aus dem
Binnenmarkt ablehnen. Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon
nannte den Brexit am Mittwoch einen «Sprung ins Ungewisse».

Auch bei der Wirtschaft wächst die Sorge vor noch nicht
überschaubaren Konsequenzen des britischen EU-Austritts. Die deutsche
Industrie drang deshalb am Mittwoch auf maximale Schadensbegrenzung.

Die Regierung von US-Präsident Donald Trump reagierte verhalten auf
die offizielle Austrittserklärung Großbritanniens. «Wir respektieren

den Willen der britischen Wähler», sagte Trumps Sprecher Sean Spicer.
Trump hatte sich noch im Wahlkampf für den Austritt Großbritanniens
aus der EU stark gemacht.