Wirtschaft pocht auf weitere Reformen in Indien - Modi bei Merkel

29.05.2017 19:33

Als Wachstumsmarkt ist Indien von großem Interesse. Bisher hemmen
Rechtsunsicherheit und Zölle eine engere Partnerschaft. Offen ist, ob
das Treffen von Merkel mit Premierminister Modi eine Lösung bringt.

Berlin/Neu Delhi (dpa) - Die deutsche Wirtschaft hat von Indien
weitere Reformen und eine stärkere Marktöffnung verlangt. «Mangelnde

Rechtssicherheit, eine schwerfällige Verwaltung und fehlende
Infrastruktur» machten Unternehmen Investitionen in dem Land sehr
schwer, sagte der Vorsitzende des Asien-Pazifik-Ausschusses der
Deutschen Wirtschaft (APA), Hubert Lienhard, am Montag vor den
vierten deutsch-indischen Regierungskonsultationen in Berlin. Dies
gelte besonders für kleine und mittelständische Firmen.

Zur Vorbereitung des Regierungstreffens an diesem Dienstag empfing
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den indischen Premierminister Narendra
Modi am Montagabend im Regierungs-Gästehaus Schloss Meseberg nördlich
von Berlin. Bei dem Treffen beider Regierungen soll es um eine
Vertiefung der Zusammenarbeit in den Bereichen Wirschaft,
Wissenschaft, Technologie, Klimapolitik und
Entwicklungszusammenarbeit gehen. Auch der Anfang Juli anstehende
G20-Gipfel der führenden Industrie- und Schwellenländern dürfte zur
Sprache kommen.

Lienhard sagte vor einem deutsch-indischen Wirtschaftsforum mit
Merkel und Modi am Dienstagnachmittag: «Mit Blick auf Zölle und
weitere Handelshemmnisse muss Indien sich stärker öffnen, damit
unsere Unternehmen ihr Engagement im Land ausbauen.» Die
Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien
müssten schnell wieder aufgenommen werden.

Nach einer aktuellen Studie würde die deutsche Wirtschaft von solch
einem Freihandelsabkommen kräftig profitieren. Deutschland könne in
diesem Fall mit einem um jährlich 4,6 Milliarden Euro höheren
Bruttoinlandsprodukt kalkulieren, berechnete das Ifo-Institut im
Auftrag der Bertelsmann-Stiftung. Dies sei das höchste mögliche Plus
innerhalb der EU nach Großbritannien, das aufgrund seiner
Kolonialgeschichte besondere Beziehungen mit Indien pflegt.

Ein Abkommen hätte nicht nur ökonomische Vorteile für beide Seiten,
sondern würde ein wichtiges Zeichen für den Freihandel setzen, sagte
Bertelsmann-Asienexpertin Cora Jungbluth mit Blick auf den Brexit und
Abschottungstendenzen der US-Regierung unter Präsident Donald Trump.

In Deutschland würden besonders Hersteller von Kraftfahrzeugen,
Maschinen und Ausrüstung profitieren. Sie könnten ihre Wertschöpfung

um bis zu 1,5 Milliarden Euro im Jahr steigern. Verlierer wären
demnach Dienstleister sowie die Textil- und Bekleidungsindustrie mit
einem erwarteten Minus von jeweils mehreren Hundert Millionen Euro.
Indien habe in diesen Bereichen - vor allem aufgrund niedrigerer
Löhne - einen deutlichen Wettbewerbsvorteil.

Bereits seit 2007 laufen die Verhandlungen zwischen Indien und der
EU, sie liegen jedoch seit 2013 auf Eis. Die größten Hemmnisse aus
deutscher Sicht liegen im Auto- und Pharmasektor. Wer fertig
montierte Pkw nach Indien einführt, zahlt dafür je nach Größe des
Fahrzeugs zwischen 60 und 100 Prozent des Neupreises. In der
Pharmabranche hakt es besonders beim geistigen Eigentum. Indiens
gigantische Industrie für Generika (Nachahmer-Medikamente), die nach
Ablauf des Patentschutzes von Originalmitteln günstiger auf den Markt
kommen, wird geschützt durch sehr strikte Gesetze.

Indien ist eines der am schnellsten wachsenden Schwellenländer. In
diesem Jahr wird ein Wirtschaftswachstum von 7,4 Prozent erwartet.
Das Handelsvolumen zwischen Deutschland und Indien betrug laut APA im
vergangenen Jahr rund 17 Milliarden Euro. Davon waren knapp zehn
Milliarden Euro deutsche Exporte. Der Bestand deutscher Investitionen
in Indien belief sich Ende 2015 auf knapp 13 Milliarden Euro.