Grüne: EU-Regierungschefs verweigern Stärkung der Europawahl

24.02.2018 12:09

Mehr Demokratie wagen: Das Europaparlament will bei der Auswahl des
mächtigen EU-Kommissionspräsidenten mitmischen. Widerstand ist
programmiert.

Brüssel (dpa) - Nach dem EU-Sondergipfel fordert der Grünen-Politiker
Sven Giegold mehr Einfluss der europäischen Wähler bei der Besetzung
von Spitzenposten in Brüssel. «Die Regierungschefs verweigern die
Stärkung der Europawahl», kritisierte der Europaabgeordnete am
Samstag in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Auch alle
Reformideen für die Brüsseler Institutionen würden blockiert. Der
CSU-Politiker Manfred Weber interpretierte die Ergebnisse des Gipfels
indes anders und sieht die europäische Demokratie gestärkt.

Hintergrund ist ein Streit darüber, wie der nächste
EU-Kommissionspräsident ausgewählt wird. Das EU-Parlament hat sich
darauf festgelegt, nur einen der Spitzenkandidaten der Parteien zum
mächtigen Chef der Brüsseler Behörde zu wählen. Argument dafür is
t,
dass die Person sich dem Wahlkampf und der Europawahl stellen und die
Bürger überzeugen muss.

Das Vorschlagsrecht liegt jedoch bei den EU-Staats- und
Regierungschefs, die sich keine neuen Vorgaben machen lassen wollen.
Beim Sondergipfel am Freitag bekräftigte Ratspräsident Donald Tusk,
die Parteien könnten zwar Spitzenkandidaten aufstellen. Doch es gebe
keinen Automatismus, dass nur ein Spitzenkandidat für die
Kommissionsspitze in Frage komme.

CSU-Vize Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei im
Europaparlament, zeigte sich dennoch zufrieden. «Es ist gut, dass der
Europäische Rat die Aufstellung von Spitzenkandidaten durch die
Parteien akzeptiert und als Realität anerkennt», erklärte er der
Deutschen Presse-Agentur. «Das ist ein Erfolg für die europäische
Demokratie und das Parlament.»

Nach der Europawahl werde es einen Dialog zwischen den Institutionen
geben. «Das letzte Wort werden aber die Abgeordneten behalten, weil
dort der Kommissionspräsident letztlich gewählt wird», betonte er.
Der Spitzenkandidaten-Prozess stehe für mehr Demokratie. «Europa darf
kein Elitenprojekt sein, sondern muss wieder mehr zum Projekt der
Menschen werden», sagte Weber.

Giegold monierte, Weber rede sich das Ergebnis des Gipfels schön.
Tatsächlich fehle das Signal an die Wähler, dass ihre Stimme auch für

die Besetzung des Spitzenpostens zähle. Die Beteiligung an der
Europawahl, die 2014 bei knapp 43 Prozent lag, drohe weiter zu
sinken. «Wir müssen doch wenigstens versuchen, dagegen anzugehen.»

Bei dem Gipfel hatten weitergehende Reformvorschläge ebenfalls keinen
Rückhalt gefunden. Dazu zählen die Verkleinerung der EU-Kommission
mit derzeit 28 Kommissaren und die Verschmelzung der Ämter von Rats-
und Kommissionspräsident zu einem EU-Präsidenten. Dominiert wurde das
Treffen der Staats- und Regierungschefs vom Streit über die Finanzen
und die Schwerpunkte der EU nach dem Brexit. Beschlüsse gab es dazu
aber noch nicht.