EU-Haushaltskommissar: Finanzielle Sorgen bei Ukraine-Beitritt gering

24.04.2024 16:44

Bei einem EU-Beitritt der Ukraine bräuchte es mehr Geld im
Gemeinschaftstopf. Das ist machbar, sagt der Haushaltskommissar - und
sieht andere Probleme.

Brüssel (dpa) - Eine Aufnahme der Ukraine in die EU könnte ohne
Änderung der Förderregeln nach Einschätzung des
EU-Haushaltskommissars Johannes Hahn ein um 20 Prozent höheres Budget
der Staatengemeinschaft erfordern. «Klingt gigantisch, aber das
entspricht nur 0,2 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung und
das ist sicher machbar», sagte Hahn den Zeitungen der
Funke-Mediengruppe (Mittwoch). Die finanzielle Seite eines
potenziellen EU-Beitritts der Ukraine bereite ihm das geringste
Kopfzerbrechen, so Hahn. «Es geht um ein lohnendes Investment, denn
die Ukraine hat wirtschaftlich enormes Potenzial.»

Der EU-Gemeinschaftsetat umfasst von 2021 bis 2027 rund 1,1 Billionen
Euro. Eine Steigerung würde nach heutigem Stand rund 200 Milliarden
mehr bedeuten.

Das größere Problem sieht Hahn allerdings bei der Vorbereitung in der
Staatengemeinschaft. Er zählte auf: «Wie treffen wir Entscheidungen,
wie sichern wir Rechtsstaatlichkeit? Wie bringen wir den großen
Agrarsektor der Ukraine mit unserer Landwirtschaft zusammen?»
Unabhängig von einem EU-Beitritt der Ukraine und Länder des
Westbalkan seien in der EU institutionelle Reformen nötig, so Hahn
weiter. Er plädierte etwa für Mehrheitsentscheidungen statt
Einstimmigkeit in der Außenpolitik. 

Anfang November hatte die EU-Kommission die Aufnahme von
Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine empfohlen. Bei einem
Gipfeltreffen Mitte Dezember hatten sich die EU-Staats- und
Regierungschefs auf die Aufnahme von Beitrittsgesprächen verständigt.
Diese dürften viele Jahre dauern.

Experten des Instituts der deutschen Wirtschaft schätzten die
finanziellen Folgen einer Vollmitgliedschaft der Ukraine in der
Staatengemeinschaft auf das derzeitige mehrjährige Budget der EU in
einem Ende vergangenen Jahres veröffentlichten Bericht auf rund 130
bis 190 Milliarden Euro. Die genaue Summe hänge davon ab, welche
Annahmen über die Ackerlandfläche und die Bevölkerungszahl für die

Ukraine getroffen würden.

Auch die Brüsseler Denkfabrik Bruegel kam in einer im März
veröffentlichten Analyse zu dem Schluss, dass die Aufnahme der
Ukraine bei derzeitigen Förderregeln erhebliche finanzielle
Konsequenzen für die bisherigen Mitgliedsstaaten haben würde. Die
Gesamtkosten einer Integration der Ukraine hätten sich in der
laufenden Haushaltsperiode von 2021 bis 2027 Beispielrechnungen
zufolge auf rund 136 Milliarden Euro belaufen.