Europäische Träume und nationale Ziele - Söders CSU im Spannungsfeld

27.04.2024 15:34

Die CSU nennt es Europaparteitag - letztlich ist die Veranstaltung in
München aber nur eine Wahlkampfveranstaltung. Für Parteichef Söder
geht es um mehr als die künftige Europapolitik.

München (dpa/lby) - So richtig kann und will CSU-Chef Markus Söder
nicht aus seiner Haut. Kämpferisch spricht er gleich zu Beginn seiner
knapp 45-minütigen Rede auf dem Europaparteitag in München über die
große Bedeutung Europas für Bayern und Deutschland. Am Ende dürfte
etwas anderes in den Köpfen seiner Zuhörer hängen bleiben: Die Wahl
am 9. Juni ist vor allem eine Abstimmung gegen die Grünen und die
Arbeit der Ampelregierung.  

«Es ist wichtig, mit dieser Wahl zum Europäischen Parlament eine
stabile Mehrheit zu organisieren, die am Ende ohne Grüne ist. Wir
wollen keine grüne Dominanz in Europa und ich sage es auch sehr
deutlich, auch in Deutschland nicht. Darum bleiben wir als CSU dabei:
Kein Schwarz-Grün für Deutschland», sagt Söder.

Praktisch im selben Atemzug kommt Söder auf einen Punkt, der (nicht
nur) in der CSU mehr oder weniger schon traditionell der EU
vorgeworfen wird: «Die Europäische Union ist in der Welt die größte

Rechtssetzungsinstanz» und genau wegen der damit einhergehenden
Bürokratie bedeute die CSU-Europapolitik schon immer «ein gewisses
Spannungsfeld».

Natürlich seien der Binnenmarkt als Basis für den wirtschaftlichen
Erfolg, die Freizügigkeit und der Frieden «höchste Güter», gleich
wohl
gebe es aber viel zu verbessern: «Es wäre schon eine wirkliche
Errungenschaft, wenn man mal eine Zeit lang einfach keine neuen
Vorschriften, keine Richtlinien machen würde.»

Söders europäische «ja, aber»-Argumentation ist nicht neu. Schon
immer hat sich die CSU in ihren Wahlkämpfen auf Entscheidungen aus
Brüssel. Straßburg oder Berlin fokussiert, die nicht in ihren
Wertekompass passen. Im anstehenden Wahlkampf ist dies etwa die
europäische Absage an klimaschädliche Verbrennermotoren ab dem Jahr
2035. 

Obwohl Söder selbst in jungen Jahren dafür eingetreten ist, fordert
er nun wie auch beim einst von ihm geforderten deutschen Atomausstieg
die vollständige Rückabwicklung. Auch CSU-Spitzenkandidat und
EVP-Chef Manfred Weber sowie jeder andere CSU'ler fordert im
aktuellen Wahlkampf mantraartig den Ausstieg aus dem Verbrenner-Aus.

Angesichts guter Umfragewerte hebt Söder für seine Partei bei der
Europawahl das Wahlziel an. «Wir wollen für uns diese Wahl gewinnen
und am besten sieben Abgeordnete ins Europaparlament senden. Sieben
plus x, das wäre ein gutes Ergebnis». Aktuell ist die CSU mit sechs
Abgeordneten im EU-Parlament vertreten. 

Laut der wenigen bisher für Bayern vorliegenden Umfragen zur
Europawahl liegt die CSU bei der Abstimmung im Freistaat mit Werten
von mehr als 40 Prozent weit vor der Konkurrenz. 2019 hatte die CSU
40,7 Prozent der Stimmen erhalten und damit das Ergebnis von 2014
sogar leicht (0,2 Prozentpunkte) verbessern können. Die Ausgangslage
für die Wahl sei 43 Tage vor der Wahl «gar nicht so schlecht», sagt
Söder. Nun müsse im Wahlkampf mobilisiert werden, um Europa gegen
seine Feinde zu verteidigen.

Hier meinen Söder und auch Weber insbesondere die AfD. Söder nennt
sie eine Partei «mit einem fiesen Gesicht», die immer wieder betone:
«Europa muss sterben». Weber geht noch einen Schritt weiter: «Die AfD

gehört zu den Radikalen unter den Radikalen.» Diese «verrottete und
korrupte Partei» sei im EU-Parlament sogar anderen rechten Parteien
längst zu extrem geworden. Anders als Söder nutzt er seine rund
einstündige Rede aber auch dazu, zu betonen, was die EU in den
vergangenen Jahren zum Wohle Bayerns beschlossen hat.

Doch zurück zu Söders Dauerkritik an der Bundesregierung: «Diese
ganze Ampel löst keine Probleme. Diese Ampel ist das Problem. Und
darum bleibt es auch und muss diese Europawahl ein Signal sein: Die
Ampel in Deutschland muss weg.» Einmal mehr fordert Söder umfassende
Steuersenkungen, eine Rückkehr zur Kernenergie und eine klare Absage
an jegliche Neuverschuldungen. Für eine Partei hat er einen
besonderen Appell: «Liebe FDP, diese Stunden, diese Tage entscheiden
über die Glaubwürdigkeit für das nächste Jahr. Und deswegen sage ic
h
euch, entweder ihr beendet es oder ihr seid Teil des großen
Problems.»

Wie Söder sich die Bundespolitik nach der nächsten Wahl vorstellt,
teilte er in der «Welt am Sonntag» mit: «Wenn man sich die zentrale
n
Felder der Politik anschaut - von der Wirtschafts- über die Außen-
bis zur Migrationspolitik, dann weiß man: Mit den Grünen ist kein
Staat zu machen und mit Olaf Scholz auch nicht mehr», sagte er der
Zeitung. Für ihn könnte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius
(SPD) der neue starke Mann der Sozialdemokraten werden, mit ihm «als
Juniorpartner lässt sich mehr vorstellen».

Söders kategorische und erneute Absage an die Grünen ist in der Union
alles andere als Konsens. So werden etwa in der CDU-Spitze derartige
Vorfestlegungen kritisch gesehen, da sie die Verhandlungsspielräume
der Union drastisch einschränken. CDU-Chef Friedrich Merz, heißt es
aus seinem Umfeld, teilt Söders Vorbehalte gegen die Grünen nicht.
Spätestens auf dem CDU-Parteitag Anfang Mai wird sich zeigen, wie
viel Applaus Söder in Berlin erhält.